27.04.2025

Familie darf zuviel gezahltes Bürgergeld behalten

Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg – 3. Senat – hat mit Urteil vom 3. April 2025 (Az. L 3 AS 772/23) entschieden, dass eine dreiköpfige Familie Überzahlungen beim Bürgergeld nicht zurückerstatten muss, weil sie den Rechenfehler des Jobcenters nicht grob fahrlässig übersehen hat.

Sachverhalt

Die Familie erhielt seit Juli 2020 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 19a SGB II). Für die Berechnung reichte sie den Arbeitsvertrag des Ehemanns (Verkäufer) ein, wonach er ab Februar 2021 monatlich 1 600 € netto verdienen sollte. Das Jobcenter rechnete irrtümlich mit 1 600 € brutto (statt netto), was einem Nettobetrag von 1 276,40 € entspricht. In den folgenden zehn Monaten wurden deshalb rund 3 000 € zu viel ausgezahlt. Mit Bescheid vom 31. Januar 2022 forderte das Jobcenter die zu viel gezahlten Leistungen zurück.

Vorinstanz

Das Sozialgericht (SG) Berlin hielt die Ehefrau, die das Verfahren für die Bedarfsgemeinschaft führte, für grob fahrlässig, weil sie den Fehler nicht erkannt habe. Es sprach dem Jobcenter daher einen Rückforderungsanspruch zu.

Rechtsgrundlage

Entscheidend ist § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X. Danach darf ein rechtswidriger, begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, wenn der Begünstigte schutzwürdig auf dessen Bestand vertraut hat. Vertrauen kann allerdings durch Kenntnis der Rechtswidrigkeit oder grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen sein.

Entscheidung des LSG

Das LSG betonte, dass bei komplizierten Berechnungen – wie bei Bescheiden zur Grundsicherung – von einem juristischen Laien nicht verlangt werden kann, jeden Detailfehler zu erkennen. Für grobe Fahrlässigkeit müssten Zweifel an der Rechtmäßigkeit so offenkundig sein, dass jeder Betroffene bei der Behörde nachfragen müsste. Die Klägerin habe plausibel dargestellt, dass ihr das Verständnis der Begriffe „Brutto“ und „Netto“ sowie die mehrzeilige Gesamteinkommensberechnung schwerfielen. Ein solcher Fehler sei nicht außergewöhnlich, sondern in dieser Konstellation nachvollziehbar und daher kein grob fahrlässiges Verhalten.

Ergebnis

Mangels grober Fahrlässigkeit durfte das Jobcenter seinen fehlerhaften Bescheid nicht rückwirkend korrigieren. Die Familie muss die rund 3 000 € nicht zurückzahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; eine Revision zum Bundessozialgericht kann zugelassen werden

Quellen: Legal Tribune Online, Sozialgerichtsbarkeit Berlin-Brandenburg

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