Krisen und Risiken frühzeitig erkennen
Risiken und Krisen können auch eine Chance sein, die eigene soziale Organisation zu stärken. Wie man das macht und warum es wichtig ist, dass es frühzeitig geschieht, erklärt Prof. Dr. Thomas Prinz von der Fachhochschule Linz im Gespräch mit der WALHALLA-Fachredaktion.
Herr Prof. Prinz, die jüngsten Umfragen unter den großen Sozialverbänden und Sozialunternehmen verheißen nichts Gutes: Rund ein Drittel rechnet damit, in Zukunft soziale Dienstleistungen nicht mehr in dem Umfang wie bisher anbieten zu können oder gar einstellen zu müssen. Bereitet Ihnen das Sorgen?
Prof. Dr. Thomas Prinz: Das ist natürlich eine höchst bedenkliche Entwicklung, denn wir sind als Gesellschaft ja darauf angewiesen, dass uns die sozialen Organisationen und Unternehmen mit ihren vielfältigen Dienstleistungen, vom Behinderten-Fahrdienst über die Pflege bis hin zum Kitaplatz versorgen. Wenn das Angebot in Zukunft eingeschränkt wird, weil Fachkräfte fehlen oder die Finanzierung nicht mehr ausreicht und damit das Gerüst der Versorgung wackelt oder gar einbricht, ist das nicht nur für viele Menschen eine große Belastung, sondern auch ein Rückschritt für unsere Gesellschaft und die Umsetzung des Sozialstaatsprinzip.
Sie forschen seit vielen Jahren zu Krisen und Resilienz in der Sozialwirtschaft und haben auch viele soziale Unternehmen beraten. Was ist ihr Fazit?
Prinz: Diejenigen Organisationen, die sich frühzeitig aktiv um ein professionelles Risikomanagement gekümmert haben, ihre Prozesse und die Einflussgrößen kennen, sind in der Regel deutlich widerstandsfähiger und resilienter gegen Krisen und können mit Risiken besser umgehen. Sie kommen durch die derzeit schwierige Zeit vergleichsweise stabil.
Wie erkenne ich denn, dass meine Organisation auf eine Krise zusteuert?
Prinz: Da gibt es verschiedene Parameter. Wenn sie sich wirtschaftlich in der Gewinn- und Verlustrechnung bemerkbar macht, ist es in der Regel schon zu spät. Denn je länger eine Krise dauert, desto geringer wird in der Regel der Handlungsspielraum.
Das heißt, es kommt darauf an, Krisen so früh wie möglich zu identifizieren?
Prinz: Nicht jede Krise ist existenzbedrohend, deshalb ist es wichtig, sie richtig einzuschätzen und Maßnahmen einzuleiten, die dagegen steuern, dass sie schwerwiegende Auswirkungen hat. Dafür gibt es Tools, mit denen man Risiken abfragen und analysieren kann. So ein Frühwarnsystem sollte eigentlich jede soziale Organisation haben.
Der Gesetzgeber liefert dafür ja auch eine gesetzliche Grundlage.
Prinz: Er fordert über das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) seit 2021 Unternehmen und Organisationen sogar konkret dazu auf, Signale, die auf eine Krise hindeuten, frühzeitig ernst zu nehmen und gegebenenfalls gegenzusteuern.
Was ist der erste Schritt bei der Einführung ein Risikomanagement-Systems?
Prinz: Es braucht eine Bestandsaufnahme in allen zentralen Unternehmensfeldern mit Blick auf mögliche Risiken und deren Auswirkungen auf die Dienstleistungskette. In der Industrie ist es längst üblich, dass alle wichtigen Bereiche der Prozesskette regelmäßig auf den Prüfstand kommen, in der Sozialwirtschaft gab es lange die Haltung, es geht schon irgendwie weiter. Das ist aber nicht der richtige Zugang. Ganz unabhängig von der Krisenresilienz ist so eine Bestandsaufnahme darüber hinaus auch ein guter und wichtiger Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit in der eigenen Organisation.
In Ihrem neuen Buch, dass Sie gemeinsam mit Prof. Dr. Renate Kränzl-Nagl im Herbst 2024 bei WALHALLA publizieren, empfehlen Sie sozialwirtschaftlichen Unternehmen unter anderem den Aufbau eines Krisenmanagement-Handbuches. Warum ist das hilfreich?
Prinz: Ein Handbuch strukturiert die Prozesse und schafft somit Wissen für die gesamte Organisation, auch über Krisen hinaus und wenn Zuständigkeiten mal wechseln. Mit unserem Ratgeber wollen wir soziale Organisationen und Unternehmen befähigen, ihr Krisenmanagement selbst und frühzeitig in die Hand zu nehmen. Wir geben ihnen konkrete Tipps und Empfehlungen an die Hand, wie man ein Krisenmanagement-System und ein Handbuch aufbaut.
Sind Risiken und Krisen grundsätzlich auch eine Chance?
Prinz: Unbedingt. Man muss sie proaktiv annehmen und gestalten. Wenn das gelingt, geht man als soziale Organisation daraus gestärkt hervor.
Danke für das Gespräch!