23.04.2019

Bundesteilhabegesetz (Teil 13) – Trennung der Leistungen (1)

Die Neuausrichtung der Eingliederungshilfe durch das Bundesteilhabegesetz hin zu einer personenzentrierteren Leistungserbringung, die unabhängig von der Wohnform des Menschen mit Behinderung erfolgen soll, führt dazu, dass die bisherige Finanzierung der Leistungen der Eingliederungshilfe neu geregelt werden muss. Die Fachleistungen müssen von den existenzsichernden Leistungen getrennt werden. Diese Trennung erfolgt zum 1. Januar 2020, die vertragsrechtlichen Regelungen dafür traten jedoch schon zum 1. Januar 2018 in Kraft.

Das bisherige vollversorgende, im SGB XII einheitlich geregelte Leistungs- und Vergütungssystem endet endgültig mit Stichtag 01.01.2020.

Dies gilt jedoch nur für die Eingliederungshilfeleistungen der erwachsenen Menschen mit Behinderungen. Bei minderjährigen Menschen mit Behinderung werden durch Sonderregelungen die bestehenden Strukturen beibehalten. Das „Sondersystem“ Lebensunterhalt in Einrichtungen – § 27b SGB XII (Barbetrag, Zusatzbarbetrag, Bekleidungsgeldpauschale) – entfällt im Bereich der Eingliederungshilfe, nicht jedoch bei anderen im SGB XII verbleibenden Leistungsbereichen (z.B. Wohnungslosenhilfe nach Kapitel 8 SGB XII).

Die Wohn- und Unterstützungsangebote für erwachsene Menschen mit Behinderung organisieren und finanzieren sich künftig aus mindestens zwei Leistungsgesetzen und über mehrere Zahlungsströme.

Auftrennung der Leistungen innerhalb des Sozialleistungssystems

Leistungen Zuständigkeit
Leistungen zur Teilhabe
(= Fachleistungen)
Eingliederungshilfeträger
SGB IX
Leistungen zum Lebensunterhalt und Wohnen
(= existenzsichernde Leistungen)
Sozialhilfeträger
SGB XII

Existenzsichernde Leistungen werden auch durch andere Sozialleistungen gewährt (siehe unten).

Der Unterschied zwischen Existenzsichernden Leistungen und Fachleistungen ist nicht immer eindeutig. Vor allem in den besonderen Wohnformen, die bis Ende 2019 noch stationäre Einrichtungen heißen dürfen, wird das deutlich. Etwa dann, wenn die genutzten Wohnflächen aufgeteilt werden müssen nach privat genutztem Wohnraum, gemeinschaftlich genutzter Wohnraum und Wohnraum, der unter die Eingliederungshilfe fällt, also Fachleistung ist. Zusätzlich gibt es noch Wohnflächen mit gemischter Nutzung.

Ein weiteres Beispiel sind die Verwaltungs- und Leitungskosten so einer Einrichtung. Der Teil der Kosten, der für die Organisation der Betreuung aufgewendet wird, gehört zur Eingliederungshilfe; der Teil, der für die Organisation der Hausverwaltung und Haustechnik anfällt, gehört zu den Kosten der Unterkunft und damit zu den Existenzsichernden Leistungen.

Fachleistungen

In der neuen Eingliederungshilfe erfolgt ab 01.01.2020 keine Differenzierung zwischen stationären und ambulanten Leistungen (anders als im Ordnungsrecht/Heimrecht oder Baurecht). Im Rahmen der Eingliederungshilfe werden die Fachleistungen

übernommen.

Gleichzeitig übernimmt der Träger der Eingliederungshilfe die Kosten der Unterkunft, die die sog. Angemessenheitsgrenze von 25 % übersteigen, soweit wegen des Umfangs von Assistenzleistungen ein gesteigerter Wohnraumbedarf besteht (s.o.).

Außerdem werden ausschließlich die Kosten der erforderlichen sächlichen und personellen Ausstattung und der betriebsnotwendigen Anlagen für die Mittagsverpflegung in Verantwortung der Werkstatt oder bei einem anderen Leistungserbringer oder beim Leistungserbringer der andere tagesstrukturierende Maßnahmen vom Träger der Eingliederungshilfe finanziert, wenn Leistungsberechtige in gemeinschaftlichen Settings sich selbst das Essen nicht zubereiten können. (§ 113 Abs.4 SGB IX)

Existenzsichernde Leistungen

Existenzsichernde Leistungen, also notwendiger Lebensunterhalt, Mehrbedarfe, einmalige Bedarfe und Kosten für Unterkunft und Heizung, werden nicht vom Vertrags- und Vergütungsrecht des SGB IX erfasst. Damit entfällt das bisherige Referenzsystem der Grund-, Maßnahme- und Investitionskostenpauschale im Vertrags- und Vergütungsrecht. Wesentliche Kostenbestandteile werden von den Leistungsberechtigten beispielsweise aus der Grundsicherung zu finanzieren sein. Zu den existenzsichernden Leistungen werden künftig keine Vereinbarungen mehr zwischen den Leistungserbringern und den Trägern der Eingliederungshilfe geschlossen. Für die Leistungserbringer verändern sich damit Risiken der Kostenkalkulation und Refinanzierbarkeit der erbrachten Leistungen.

Existenzsichernde Leistungen werden gewährt im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Auch die Grundsicherung für Arbeitsuchende gewährt existenzsichernde Leistungen, ebenso Bafög oder die Leistungen für Asylbewerber und diverse Rentenarten. Hier begnügen wir uns mit den Regelungen des SGB XII zum notwendigen Lebensunterhalt und zu den Kosten der Unterkunft, weil dies die meisten Fälle betrifft.

Zu den Existenzsichernden Leistungen gehören

  • die Kosten für Ernährung
  • die Kosten für Kleidung
  • Hygienekosten
  • Kosten für (in vertretbarem Umfang) eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft
  • Kosten für Hausrat
  • die Wohnkosten, incl. Heizkosten und Nebenkosten (Kosten der Unterkunft)

Bis auf den letzten Punkt werden diese Punkte unter dem Sammelbegriff „notwendiger Lebensunterhalt“ zusammengefasst. (Siehe auch: Bundesteihabegesetz Teil 14 – Trennung der Leistungen (2))

Kosten der Unterkunft

§ 42a Abs.2 SGB XII

Die Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) sind grundsätzlich der Grundsicherung zuzuordnen, sodass diese nicht mehr Bestandteil der Entgeltverhandlungen nach § 125 SGB IX sind. Die tatsächlichen angemessenen Aufwendungen für Miete und Heizkosten werden als Bedarf berücksichtigt. Auch in einer besonderen Wohnform ist die Miete für den persönlichen Wohnraum in tatsächlicher Höhe zugrunde zu legen. Bei Belegung durch mehrere Personen wird eine anteilige Aufteilung vorgenommen. Die Gemeinschaftsraummiete wird auf alle Bewohner/innen, denen der Gemeinschaftsraum zur Nutzung überlassen ist, nach Köpfen zu gleichen Teilen aufgezuteilt. Die Kosten für Unterkunft und Heizung sind bis zur Angemessenheitsgrenze in der Grundsicherung für einen Einpersonenhaushalt (je nach Ort) als angemessen anzusehen. Hierauf wird – innerhalb der Grundsicherung – ein bis zu 25%iger Aufschlag gewährt, wenn mindestens eine der Zusatzkosten nach § 42a Abs. 5 SGB XII (Fassung ab 1.1.2020) ausgewiesen wird. Übersteigen die anfallenden Kosten der Unterkunft und Heizung diesen Wert von 125%, ist der Überschussbetrag vom Eingliederungshilfeträger zu übernehmen

Ausführliches dazu im Beitrag Kosten der Unterkunft ab 2020.

Mehr zum Thema siehe: Bundesteihabegesetz Teil 14 – Trennung der Leistungen (2)

Quellen: Bundestag, BMAS, SOLEX, FOKUS Sozialrecht

Artikelserie BTHG-Umsetzung auf FOKUS Sozialrecht:

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