Verschärfungen im SGB II
Am 26. September 2024 wurde das SGB III – Modernisierungsgesetz mit der ersten Lesung im Bundesrat beraten. Am 2. Oktober beschloss das Bundeskabinett eine Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen für eben dieses Gesetz. Dieses sei Teil der Wachstumsinitiative der Bundesregierung, mit der der deutschen Wirtschaft schnell zusätzliche Impulse für eine neue wirtschaftliche Dynamik gegeben werden solle, so das Bundeskabinett.
Als Teil der Wachstsumsinitiative unter Punkt 23 sind mit der Überschrift: „Erwerbsanreize im Bürgergeldbezug stärken“ auch Verschärfungen beim Bürgergeld geplant. Wie das konkret aussehen soll, hat das Kabinett heute beschlossen. Die „Anpassungen“ beim Bürgergeld sollen mehr Menschen in Arbeit bringen und für mehr Fairness im Sozialstaat sorgen.
Wichtige Maßnahmen im Einzelnen:
- Die Bundesregierung will für Menschen im Bürgergeld eine Anschubfinanzierung einführen. Der Betrag wird als Prämie an diejenigen ausbezahlt, die eine Arbeit gefunden haben und dadurch seit mindestens sechs Monaten nicht länger auf Bürgergeld angewiesen sind.
- Wer mehr als sechs Stunden täglich arbeitet, soll einen Hin- und Rückweg von insgesamt drei statt bisher zweieinhalb Stunden in Kauf nehmen müssen. Bei einer geringeren Arbeitszeit soll eine tägliche Pendelzeit von zweieinhalb statt bisher zwei Stunden zumutbar sein.
- Wer eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder Eingliederungsmaßnahme ohne triftigen Grund ablehnt, soll künftig sofort mit einer deutlicheren Leistungsminderung von 30 Prozent des Regelbedarfs für drei Monate rechnen müssen. Bislang erfolgen die Kürzungen stufenweise: Bei der ersten Pflichtverletzung um zehn Prozent für einen Monat, bei einer zweiten um 20 Prozent für zwei Monate, bei einer dritten um 30 Prozent für drei Monate. Außerdem: Wer Termine im Jobcenter ohne einen wichtigen Grund nicht wahrnimmt, soll zukünftig eine Leistungsminderung von 30 Prozent statt bisher 10 Prozent für einen Monat erhalten.
- Wer Hilfe der Allgemeinheit in Anspruch nimmt, darf diese Unterstützung nicht ausnutzen und schwarzarbeiten. Deshalb soll der Katalog der Pflichtverletzungen um Schwarzarbeit erweitert werden. Wer Bürgergeld bezieht und schwarz arbeitet, dem soll das Bürgergeld gemindert werden. Die Jobcenter sollen gesetzlich verpflichtet werden, Verdachtsfälle auf Schwarzarbeit an die Zollverwaltung zu melden.
- Für Geflüchtete, die Bürgergeld beziehen, soll es künftig verpflichtende Integrationspraktika geben. Sie sollen es Geflüchteten leichter machen, eine Arbeit oder Ausbildung aufzunehmen – und Arbeitgebern wiederum erleichtern, Geflüchtete einzustellen.
- Im Zuge des Jobturbo sollen Arbeitgeber künftig einen Entgeltzuschuss erhalten, wenn sie Geflüchtete zur Teilnahme an einem Berufssprachkurs freistellen.
- Das Bürgergeld dient als existenzsichernde Leistung. Bevor es beansprucht wird, sollte das eigene Vermögen für den Lebensunterhalt eingesetzt werden. Die Karenzzeit für das Schonvermögen soll nun von einem Jahr auf sechs Monate verkürzt werden.
- Es soll ein neues Förderinstrument zur Erprobung einer Beschäftigungsperspektive geben. Damit sollen ein Arbeitsplatzwechsel vom bisherigen zu einem neuen Arbeitgeber unterstützt und Arbeitslosigkeit vermieden werden.
- Die Einwanderung von ausländischen Fachkräften in die Zeitarbeit wird ermöglicht. Vorrangiges Ziel ist es, die Beschäftigten dauerhaft in die Entleihbetriebe zu integrieren und somit die dortigen Fachkräfteengpässe zu lindern.
Ärger mit den Verbänden
Die Verbände beklagen, dass ihnen die gesetzlich vorgeschriebene Frist zu einer Stellungnahme zu den Plänen nicht gewährt wurde. Das BMAS habe am 27.09., gegen 14:17 Uhr den Referentenentwurf des „Gesetzes zur Modernisierung der Arbeitslosenversicherung und Arbeitsförderung“ vorgelegt und im Rahmen der Verbändeanhörung um Stellungnahme bis zum 30. Sept., 16 Uhr gebeten. Also eine Stellungnahmefrist binnen 3 Tagen und übers Wochenende.
Deswegen haben der Verein Tacheles, der Paritätische Gesamtverband, die Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit und die Bundesverbraucherhilfe daher entschieden, in diesem Verfahren keine Stellungnahme abzugeben. Die Anhörung von Verbänden und Expert*innen dürfe nicht zu einem bloßen Ritual degradiert werden. Dazu eine Protestnote von Tacheles e.V.
weiteres Verfahren
Der Gesetzentwurf und die heute beschlossenen Änderungen werden nun dem Bundesrat vorgelegt. Die nächste Bundesratssitzung findet am 18 Oktober statt.
Quellen: Bundeskabinett, Tacheles e.V., FOKUS-Sozialrecht
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